Veröffentlichung in der Falldatenbank: 06.01.2014

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Oberlandesgericht Schleswig-Holstein: Schenkung unter Ehegatten als pflichtteilergänzungspflichtige Zuwendung

§§ 516, 1360, 1360b, 1371, 1924, 1931, 2302, 2314, 2325 BGB

Unbenannte Zuwendungen - die unter Ehegatten trotz Fehlens eines subjektiven Elements grundsätzlich wie Schenkungen zu behandeln sind - sind nicht der Pflichtteilsergänzung gemäß § 2325 BGB entzogen. Auch der gemeinsame Kauf eines Eigenheims, das vom alleinverdienenden Ehemann bezahlt wird, fällt nicht etwa mit Rücksicht auf die eheliche Lebensgemeinschaft aus dem Anwendungsbereich des § 2325 BGB.

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.12.2013 – 3 U 29/13

Landgericht Flensburg, Urteil vom 29.01.2013 – 3 O 177/09

Anmerkungen

Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Rechtsreferendarin Isa Weber, Witten

Sachverhalt

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein entscheidet über die Berufung von Klägern und Beklagter in einer erbrechtlichen Auseinandersetzung. Vor dem Landgericht Flensburg hatten die Kinder des Erblassers aus erster Ehe dessen zweite Ehefrau und alleinige Erbin zunächst auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses und in der zweiten Stufe auf Zahlung der sich aus dem Nachlassverzeichnis ergebenen Pflichtteils-  und Pflichtteilsergänzungsansprüche verklagt. Nachdem die Beklagte den Anspruch auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses anerkannte und ein dementsprechendes Teilanerkenntnisurteil erging, forderten die Kläger den sich nach ihrer Ansicht aus dem Nachlassverzeichnis ergebenen Pflichtteilsanspruch von jeweils rund 40.000 € ein. Zentraler Streitpunkt des Rechtsstreits war die Behauptung der Beklagten, eine bereits im Jahre 2003 zum Preis von 620.000 € veräußerte Grundbesitzung des Erblassers habe in ihrem hälftigen Miteigentum gestanden. Nach Abzug der Hypothekenverbindlichkeiten ergab sich aus der Veräußerung des - 1983 zu einem Preis von 142.437,66 DM gekauften und anschließend bebauten-  Grundstücks ein Überschuss von 430.347,30 €. Die Kläger stützen ihre Ansprüche auf die Annahme einer Schenkung dieses hälftigen Miteigentumsanteils an die Beklagte. Diese wiederum behauptet, das Grundstück sei zu gleichen Teilen erworben und von ihr mit Ersparnissen aus eigenen Mitteln – unter anderem ein jährlicher Gewinn aus einem landwirtschaftlichen Betrieb in Höhe von ca. 7.000 DM – mitfinanziert worden; nach Eigentumsumschreibung aufgenommene Kredite seien aus gemeinsamem Einkommen  zurückgezahlt worden. Die Immobilie habe aufgrund der Entwicklungen am Immobilienmarkt eine Wertsteigerung erfahren. Große Teile des Verkaufserlöses seien zudem vom Erblasser und ihr verbraucht worden für teure große Reisen und einen Umzug. Nach Auffassung der Beklagten sei zudem in ihrem Fall die uneingeschränkte Anwendung des § 2325 BGB unbillig und zu erwägen, Zuwendungen bis zur Höhe eines fiktiven Zugewinnausgleichanspruchs als ergänzungsfrei zu bewerten. Ferner habe sie mit dem Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt und mit diesem eine ‚Einverdienerehe‘ geführt, wobei es ihre Aufgabe als Gattin des Bürgermeisters gewesen sei, einen repräsentativen Haushalt zu führen. Der Wert der von ihr erbrachten Haushaltsdienstleistungen – Bewirtung von Gästen, Gestaltung festlicher Einladungen und die Sorge für eine angemessene Ausstattung - sei vorsichtig auf monatlich mindestens 1.700 € zu schätzen. Die Kläger stützen sich darauf, der Lebensunterhalt sei aus den weit überdurchschnittlichen Einkünften des Erblassers bestritten worden. Dass für Reisen, einen Umzug und den Kauf von Möbeln mehr als 400.000 € ausgegeben worden sein sollen, sei lebensfremd. Klarzustellen sei auch, dass die Beklagte mit dem Erblasser eine kinderlose Ehe geführt habe und sonst nichts zu tun gehabt habe, als neben dem Erblasser zu leben, was letztlich nicht als Haushaltsdienstleistung zu werten sei, sondern als ‚die angenehmen Lebensumstände wohlhabender Menschen‘ – die Beklagte unterliege erkennbar irrigen Vorstellungen von mitarbeitenden Ehefrauen.  

Entscheidung

Das Landgericht Flensburg gab den Klägern weit überwiegend Recht. Hinsichtlich eines Teils des eingeklagten Verzugszinses – namentlich für die Zeit von der vorgerichtlich erfolgten verzugsbegründenden Aufforderung zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses und  Zahlung des sich daraus ergebenden Pflichtteils und der Pflichtteilsergänzungen – erfolgte jedoch keine Entscheidung durch das Landgericht.

In der Berufungsinstanz wurde den Klägern überdies auch der Zins für den vorgerichtlich durch anwaltliches Schreiben eingetretenen Verzug zugesprochen – mithin weitere rund 4.500,00 €.

Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten vollumfänglich zurück und erkannte auf antragsgemäße Änderung des erstinstanzlichen Urteils zu Gunsten der Kläger.

Zunächst bestätigte das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein die Wertung der Vorinstanz hinsichtlich der Bejahung einer pflichtteilsergänzungspflichtigen Zuwendung des Erblassers an die Beklagte. Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 27.11.1991 – IV ZR 164/90, NJW 1992, 564 ff.) stellte der Senat fest, dass unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten trotz Fehlens eines subjektiven Elements grundsätzlich wie Schenkungen im Sinne des § 516 BGB zu behandeln und damit dem Anwendungsbereich des § 2325 BGB nicht entzogen seien. Entgegen einiger Stimmen in der Literatur, die mit Rücksicht auf den Halbteilungsgrundsatz ergänzungsfreie Zuwendungen bis zur Höhe des rechnerischen Zugewinnausgleichs forderten, sei gerade zum Schutz von Ehe und Familie an den gesetzlichen Grenzen des Pflichtteilsrechts festzuhalten. Das Vermögen solle gerade nicht an den Pflichtteilsberechtigten vorbei, dem Ehegatten zugeleitet werden können; schließlich würde eine derartige Handhabe zu einer Doppelbegünstigung des überlebenden und zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten führen. Auch im Lichte des Unterhaltsrechts hält der Senat an seiner Überzeugung fest: Unterhaltsrechtlich sei gerade nicht Vermögensbildung sondern nur die Befriedigung des Grundbedarfs von Ehefrau und Familie geschuldet.

Auch greift nach Auffassung des Gerichts keine anerkannte Ausnahmekonstellation zu Gunsten der Beklagten ein – namentlich handelt es sich weder um eine Zuwendung zur angemessenen Alterssicherung, noch um eine nachträgliche Vergütung für langjährige Dienste. Wegen der erheblichen Höhe der zu erwartenden Pension des Erblassers (Beamtengehalt nach B 3), ging das Gericht nicht davon aus, dass das Grundstück der Altersvorsorge zu dienen bestimmt war. Auch im Hinblick auf § 1360 BGB lehnte das Gericht weiter die Annahme einer zusätzlichen Vergütung der Haushaltstätigkeit durch Vermögensbildung als unbenannte Zuwendung ab. Anhaltspunkte für eine adäquate Gegenleistung sah das Gericht nicht.

Das Gericht führte aus, dass derjenige, der einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gestützt auf § 2325 BGB geltend macht, darzulegen und ggf. zu beweisen habe, dass der Erblasser dem Ehegatten eine unbenannte Zuwendung gemacht hat. Unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 1996, 705) führte das Gericht weiter aus: „Indes trägt die Rechtsprechung häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Pflichtteilsberechtigten in diesem Bereich dadurch Rechnung, dass es zunächst Sache des über die erforderlichen Erkenntnisse verfügenden Anspruchsgegners ist, die für die Begründung der Gegenleistung maßgeblichen Tatsachen im Wege des substantiierten Bestreitens der Unentgeltlichkeit vorzutragen“ und stützt die Ablehnung der Annahme einer Gegenleistung auf die fehlende Substantiierung der Beklagten. Ausführungen bezüglich der Behauptung, Einnahmen von rund 7.000 DM aus landwirtschaftlicher Tätigkeit gehabt zu haben, stehen nach Auffassung des Gerichts im Widerspruch zur erstinstanzlichen Angabe, eine Einverdienerehe geführt zu haben und bleiben „ausgesprochen vage“.

Hinsichtlich der Wertermittlung der Immobilie bestätigt das Oberlandesgericht die erstinstanzlichen Ausführungen, soweit unter Anwendung des § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB für diese im Grundsatz der Wert zur Zeit des Erbfalls für den Pflichtteilsergänzungsanspruch in Ansatz kommt, hier aber, da für den Zeitpunkt der Schenkung ein geringerer Wert anzunehmen ist, dieser maßgeblich ist. Da die Zuwendung erst im Zeitpunkt des Verkaufs und der Ablösung der restlichen Darlehensschulden aus dem Kaufpreis vollwendet worden ist, stellt der Senat auf den Zeitpunkt des Verkaufs 2003 ab.

Ob und in welchem Umfang Reisen und Umzugskosten den Verkaufserlös erschöpft haben, kann, so das Gericht, dahinstehen, da es für den Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht darauf ankommt, ob das Geschenk bei dem Beschenkten auch tatsächlich noch vorhanden ist.

Auch wegen der weitergehend geltend gemachten Zinsen obsiegen die Kläger; als sogenannte Stufenmahnung waren die sich aus der Auskunft ergebenden Zahlungen bereits mit dem vorprozessualen Schreiben verzugsbegründend geltend gemacht worden: „Es ist anerkannt, dass im Falle eines Pflichtteilsanspruchs auch ein betragsmäßig unbestimmter Anspruch, wenn er im Wege einer sogenannten Stufenmahnung geltend gemacht wird, ausreicht, um Verzug zu begründen (BGHZ 80, 277 Leitsatz1; OLG Bamberg, FamRZ 1998, 1367 […])

Das Gericht ließ die Revision nicht zu.

Praxishinweis

In erbrechtlichen Auseinandersetzungen ist eine frühzeitige rechtliche Beratung für den späteren Erfolg nahezu unerlässlich. Der hier vorliegende Fall zeigt beispielhaft, von welcher Bedeutung eine zielgerichtete und ergebnisorientierte Arbeitsweise für den späteren Prozesserfolg ist. So ist es äußerst ratsam, bereits vor der gerichtlichen Auseinandersetzung im Rahmen der vorprozessualen Korrespondenz relevante Fristen in Gang zu setzen. Dafür besonders geeignet ist das Instrument des stufenweisen Auskunftsersuchens - hier in Form der Stufenmahnung - mit dem hier nicht nur die Erteilung des essentiell wichtigen notariellen Nachlassverzeichnisses vorangetrieben wurde, sondern gleichzeitig, trotz der betragsmäßigen Unbestimmtheit, Verzug hinsichtlich der sich aus dem Nachlassverzeichnis ergebenen Ansprüche begründet werden konnte.

Die vielschichtigen und zahlreichen Hürden im Rahmen eines erbrechtlichen Verfahrens reichen von der oben genannten Verzugsbegründung bis zur späteren Zwangsvollstreckung; im hier besprochenen Fall mit der Besonderheit, dass schon während des Prozesses aus dem anerkannten Anspruch auf Fertigung eines Nachlassverzeichnisses vollstreckt werden musste, da überhaupt nur unter Androhung eines Zwangsgeldes in empfindlicher Höhe die notwendige Auskunft erlangt werden konnte (Hier gelangen Sie zu dem Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Flensburg).

Bei Ihren erbrechtlichen Fragen helfen wir Ihnen gerne - zur Vereinbarung eines Termins stehen wir Ihnen jederzeit zKontaktur Verfügung. Kontakt

Ihr Rechtsanwalt Dieter Schmitz in Witten

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