Veröffentlichung in der Falldatenbank: 14.02.2013
Oberlandesgericht Hamm: Vorvertragliche Aufklärungspflichten (c.i.c.) der kreditgebenden Bank gegenüber Anlegern bei institutionalisiertem Zusammenwirken (sog. „Schrottimmobilien“) – Die Berufung.
BGB §§ 241 II, 280 I, 311 II Nr. 1
Die kreditgebende Bank ist regelmäßig nur in besonderen Ausnahmefällen zur Risikoaufklärung bei steuersparenden Erwerbermodellen verpflichtet.
Landgericht Bochum, Urteil vom 19.04.2012 – I-1 O 374/11
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 21.01.2013 – I-31 U 116/12 (SNH: 846/11)
Anmerkung
Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Rechtsreferendarin Isa Weber, Witten
Sachverhalt
Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) entscheidet über die Berufung einer Klägerin, die mit ihrem Schadenersatzverlangen wegen Pflichtverletzung gegen ihre Bank erstinstanzlich unterlag (Sie gelangen HIER zu der ebenfalls in dieser Datenbank befindlichen Entscheidungsbesprechung zum erstinstanzlichen Urteil). Die Klägerin und Berufungsklägerin hatte im Jahr 2003, vermittelt durch die K. KG, eine Eigentumswohnung zu Steuersparzwecken erworben. Den weit überwiegenden Teil der 85.200,00 € für die 62 m² große Wohnung finanzierte sie über ein Darlehen bei der beklagten und berufungsbeklagten Bank. In den Jahren 2004 - 2009 waren Nachzahlungen zu leisten, welche aus der Unterdeckung des Mietpools des über 40 Wohnungen umfassenden Objekts resultierten und sich nicht mit den Prognosen zum Eigenaufwand aus der Musterrentabilitätsrechnung der K. KG deckten. Die Klägerin begehrte von der Beklagten Rückabwicklung des finanzierten Immobilienerwerbs wegen arglistiger Täuschung. Das Landgericht Bochum (LG) wies die Klage vollumfänglich ab; dies vor allem unter Hinweis auf die fehlende Substantiierung des klägerischen Vortrags hinsichtlich eines institutionalisierten Zusammenwirkens der Beklagten und der Immobilienvermittlerin. Überdies reichte der Kammer der lediglich allgemein gehaltene Hinweis auf eine Unterdeckung des Mietpools nicht aus. Für das Argument, der Kaufpreis sei überteuert gewesen, habe es an konkretem Vortrag gefehlt. Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, die Voraussetzungen für ein institutionalisiertes Zusammenwirken der Bank und der vermittelnden K KG - entgegen der Auffassung des LG - ausreichend dargetan zu haben. Ferner habe sie auch die arglistige Täuschung der K KG hinreichend belegt. Die gegenständlichen Unterdeckungen seien auf die nicht ausreichend kalkulierten Rücklagen zurückzuführen, die dem Aufwand für Wohnungsleerstände und Reparaturen nicht angemessen gewesen seien.
Entscheidung
Das OLG sieht dies anders. Mit ihrem Urteil weisen die Richter die Berufung zurück, da unter keinen Umständen ein Schadensersatzanspruch bejaht werden kann. Zunächst sei kein Anlagevermittlungs- oder Anlageberatungsvertrag zustande gekommen; der einzige unmittelbare Kontakt zwischen den Parteien habe sich auf die Unterzeichnung eines zuvor vollständig vorbereiteten Darlehensvertrags beschränkt. Weiter führt das Gericht aus: „Nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird im Rahmen von Bauherren-, Bauträger- oder Erwerbermodellen auftretende Vermittler als Erfüllungsgehilfe im Pflichtenkreis der in den Vertrieb nicht eingeschalteten Bank nur insoweit tätig, als sein Verhalten den Bereich der Anbahnung des Kreditvertrags betrifft; dies ist bei möglicherweise falschen Erklärungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnung stehen, nicht der Fall (vgl. BGH NJW 2005, 1576, 1577).“ Selbst wenn der Berater der K KG also auch für die Beklagte tätig geworden wäre, könnte die Klägerin daraus noch keine anspruchsbegründenden Umstände herleiten. Hinsichtlich der Verpflichtungen zur Risikoaufklärung durch die Beklagte greift das OLG die Ausführungen des LG auf und führt aus, Aufklärungs- und Hinweispflichten bestünden nur ausnahmsweise, wenn die Bank „im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung, oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht, wenn sie einen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden besonderen Gefährdungstatbestand für den Kunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Kreditgewährung sowohl an den Bauträger als auch an den einzelnen Erwerber in schwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wenn sie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und das auch erkennen kann (BGH, Urteil vom 03.12.1991, XI ZR 300/90, WM 1992, 133; BGH, Urteil vom 21.10.2008, XI ZR 256/07, Juris Rz. 10 m.w.N.)“. Hierzu fehle jedoch jeder Vortrag. Bezüglich der klägerischen Behauptung eines institutionalisierten Zusammenwirkens der Beklagten und der K KG stellt das Gericht zunächst die Existenz einer widerleglichen Vermutung heraus, nach der sich Kunden unter erleichterten Voraussetzungen auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank berufen können „wenn der Verkäufer oder die Fondsverantwortlichen, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer bzw. Vermittler, sei es auch nur über einen von ihm benannten besonderen Finanzierungsvermittler, angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des konkreten Falles objektiv evident ist, so dass sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung geradezu aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.“ Das Gericht unterstellt zugunsten der Klägerin, ein institutionalisiertes Zusammenwirken der Beklagten mit der K KG habe stattgefunden, da es im Hinblick auf das weitere Erfordernis einer arglistigen Täuschung ohnehin nicht zu einem Anspruch komme; eine arglistige Täuschung über die angeblich von Anfang an fehlerhafte Einnahmeprognose der K KG nämlich war für das Gericht nicht feststellbar. Es sei schon nicht richtig, dass die tatsächlichen Ausschüttungen hinter den Prognosen der künftigen Entwicklungen in der Musterrentabilitätsrechnung für 2003 zurückgeblieben waren, sodass die gestellte Prognose aus ex-ante Sicht vertretbar gewesen sei. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung später als falsch erweise, trage der Anleger (BGH NZG 2009, 1393, 1394). Dass in den Folgejahren nicht unerhebliche Unterdeckungen nachgewiesen worden seien, könne auf unterschiedliche Faktoren zurückgehen, die die Klägerin auch in dieser Instanz nicht ausreichend dargetan habe – das bloße Bestehen einer Unterdeckung an sich ließe noch keinen Rückschluss auf eine arglistige Täuschung zu. Zwar gebe die Klägerin an, es seien größere und bereits bei Abschluss des Kaufvertrages vorhersehbare Reparaturen angefallen, worauf sie ihre Behauptung stützt, die Instandhaltungsrücklage sei zu gering veranschlagt worden, doch bleibe sie auch in dieser Hinsicht bei pauschalen, unsubstantiierten Behauptungen. Schließlich fehle es auch hinsichtlich der Wohnungsleerstände an Belegen dafür, dass diese für die Beklagte vorhersehbar gewesen sind.
Praxishinweis
Die Berufung der Klägerin blieb zu Recht ohne Erfolg. Wie bereits zum erstinstanzlichen Urteil angemerkt, bedarf es für eine erfolgreiche Klage mehr, als bloßer formularmäßiger Behauptungen und Zitate. Benennung der ursprünglich in Aussicht gestellten und dagegen tatsächlich erzielten Mieterträge, substantiierter Vortrag zu Unterdeckungen und diesbezüglicher Vereinbarungen, Gründe und Vorhersehbarkeit sind nur ein Teil der hier fehlenden Angaben.
Die Verjähringsfristen laufen - wenn Sie Fragen zu oben genannter Entscheidung haben, wenden Sie sich gerne an uns,
Ihr Rechtsanwalt Dieter Schmitz