Veröffentlichung in der Falldatenbank: 05.05.2014

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Oberlandesgericht Hamm: Schadenersatz der Bank bei gescheiterter Vermögensanlage: Beratungspflichtverletzung bei 'Kick-Back'-Zahlungen und entgangenen Anlagezinsen

§ 164, 195, 199, 249, 252, 280 BGB

  1. Aus dem Anlageberatungsvertrag ist die Bank verpflichtet, über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären.
  2. Entgangene Anlagezinsen können bei entsprechender Darlegung im Anlegerschutzprozess als entgangener Gewinn im Rahmen des Schadenersatzes geltend gemacht werden.

 

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 12.02.2014 - 31 U 190/12

Landgericht Bochum, Urteil vom 19.09.2013 - 1 O 573/11

Anmerkungen

Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Rechtsassessorin Isa Weber, Witten

Sachverhalt

Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) setzt sich in dieser Entscheidung mit Schadenersatzansprüchen eines Anlegers gegenüber seiner Bank auseinander. Der Kläger berief sich bereits in der Vorinstanz vor dem Landgericht Bochum auf eine fehlerhafte Anlageberatung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds – unterlag aber vollumfänglich.

Hintergrund der Klage war die Beteiligung des Klägers an der S. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: S GmbH). Zu dieser kam es nachdem der örtliche Filialleiter der beklagten Bank, der Kläger und dessen Steuerberater Gespräche über mögliche Anlagemöglichkeiten geführt hatten, in deren Folge der Steuerberater und der Kläger ihre Beitritte zu der genannten Fondsgesellschaft zeichneten. Der Kläger zeichnete Anteile zu einem Nennbetrag von 100.00 DM. Provisionszahlungen wurden nicht erörtert; Informationen zu Rückvergütungen enthielt aber der Fondsprospekt, hinsichtlich dessen streitig geblieben war, ob er bereits vor oder erst während der Zeichnung an den Kläger ausgehändigt worden war. Die Fondsgesellschaft ihrerseits war stille  Gesellschafterin an der L.  Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: L GmbH), die wiederum Eigentümerin eines Objekts in Leipzig war, das die  Rechtsvorgängerin der Beklagten bis zum 30.03.2007 geleast hatte. Im  Prospekt waren drei Alternativen für das weitere Vorgehen nach Ablauf der  Leasingzeit vorgesehen: der Kauf des Leasingobjekts durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Weitervermietung an die Rechtsvorgängerin der Beklagten für dann 11 Jahre und 9 Monate oder eine  Darlehensaufnahme in Höhe von 150.000 DM durch die L GmbH, um die Anleger auszuzahlen. Überdies enthielt der Prospekt unter der Überschrift "Eigenkapitalvermittlung" die Angabe, dass die L GmbH die Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Vermittlung von Eigenkapital in Form einer stillen Beteiligung in Höhe von 100.800.000 DM beauftragt habe und diese eine einmalige Eigenkapitalvermittlungsvergütung erhalte. Im Jahr 2006 wurde  der Kläger darüber unterrichtet, dass eine Finanzierungszusage in Höhe von etwa 50.000.000 EURO vorliege und eine Auszahlung an die Anleger vorgenommen werden könne. Die Gesellschafter stimmten mehrheitlich für die Kündigung des stillen Gesellschaftsvertrags und für die Liquidation des Fonds. Der Kläger erhielt eine freie Ausschüttung und einen Liquidationserlös in Höhe von fast 33.000,00 EURO. Er machte daraufhin Schadenersatz wegen nicht ordnungsgemäßer Aufklärung geltend. Er berief sich darauf, dass er über die tatsächlich eingetretene Beendigungsmöglichkeit nicht informiert worden und ferner im Vorfeld des Vertrages keine Aufklärung über die Eigenkapitalvermittlungsvergütung erfolgt sei. Der Kläger trug ferner vor, dass er - wenn er von dem Risiko der dann erfolgten Liquidation gewusst hätte - die Anlage nicht gezeichnet hätte und sein Geld in festverzinsliche Wertpapiere mit einem damaligen Zins von 5,3 % bis zum Jahr 2001 und dann mit einer Verzinsung von 4,3 % angelegt hätte. Er habe daher einen Zinsverlust in Höhe von 24.808,56 EURO erlitten. Die beklagte Bank stützte sich dagegen auf die Einrede der Verjährung. Nach ihrem Vortrag soll der Kläger bereits im Jahr 2007 Kenntnis von den relevanten Umständen gehabt haben, weshalb die klageweise Geltendmachung über drei Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem die Anlageberatung stattfand, nach Eintritt der Verjährung erfolge. Das Landgericht stützte seine abweisende Entscheidung auf die Verjährungseinrede der Beklagten und sah die Durchsetzbarkeit eines möglichen Anspruchs als dauerhaft gehemmt, da der Kläger durch die Liquidationsausschüttung im Jahr 2007 Kenntnis von der Liquidation erhalten habe. Auch sei der Hinweis auf die  Vermittlungsprovision im Fondsprospekt genügend. Mit seiner Berufung verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidung

Der 31. Zivilsenat des OLG gab der Klage hinsichtlich der Hauptforderung vollumfänglich  statt. Mit der Begründung des Klägers, zwischen seinem Steuerberater und der Beklagten sei jedenfalls konkludent ein Beratungsvertrag zustande gekommen, kam der Senat im nächsten Schritt zu der Prüfung einer Pflichtverletzung. Dabei folgten die Richter der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH), nach der eine Bank aus dem  Anlageberatungsvertrag verpflichtet ist, über die von ihr vereinnahmten Rückvergütungen aus Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Auch in Fällen in denen es sich nicht um versteckte Innenprovisionen aus dem Anlagevermögen, sondern um offen ausgewiesene Vertriebskosten handele, könne ein Fall aufklärungspflichtiger Rückvergütung vorliegen, da darauf abzustellen sei, ob der Anleger das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage erkennen könne oder nicht. Für die hier gezahlte Eigenkapitalvermittlungsgebühr in Höhe von 6 % des vermittelten Eigenkapitals bestand demnach eine Aufklärungspflicht. Mit der Übergabe des Prospekts - sei diese nun zu dem von der Beklagten behaupteten Zeitpunkt deutlich vor Vertragsschluss oder wie der Kläger angibt, während des Zeichnungstermins erfolgt - habe die Beklagte diesem Erfordernis jedenfalls nicht genügt: "Denn wenn eine mündliche Anlageempfehlung erfolgt, muss auch im Zuge dieser Anlageempfehlung über die Rückvergütung aufgeklärt werden" - so der Senat. Bei bloßer Übergabe des Prospekts habe ein ausdrücklicher Hinweis in der Beratungssituation zu erfolgen, dass zur vollständigen Kenntniserlangung ein Studium des Prospektes erforderlich sei. Die durch den klägerischen Vortrag sekundär  darlegungsbelastete Beklagte habe dazu nicht hinreichend ausgeführt.

Der aus der verschuldeten Pflichtverletzung hinsichtlich der Aufklärungspflicht im Rahmen des Anlageberatungsvertrages folgende Haftung der Beklagten umfasse die Rückzahlung der geleisteten Einlage des Klägers abzüglich der an diesen erfolgten Ausschüttungen. Der vom Kläger darüber hinaus geltend gemachte, entgangene Zinsgewinn war nach Ansicht der Richter dagegen nicht erstattungsfähig. Zwar seien bei der Geltendmachung von Schadenersatz für entgangenen Gewinn regelmäßig auch entgangene Anlagezinsen erstattungsfähig, doch müsse der dahingehende Vortrag genügend substantiiert sein. Die bloße Behauptung, sich ansonsten für festverzinsliche Rentenpapiere entschieden zu haben, reiche dafür regelmäßig nicht aus. Hier schien es dem OLG naheliegend, dass der Kläger in Kenntnis der erfolgenden Rückvergütungen zwar eine andere Anlageentscheidung getroffen hätte, er in deren Rahmen aber sein Geld nicht in festverzinsliche Rentenpapiere sondern wohl in andere steueroptimierte Anlagen mit entsprechendem Verlust investiert hätte.

Praxishinweis

Die Entscheidung spielt im Rahmen der gefestigten, höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zur Haftung wegen Aufklärungsdefiziten im Rahmen des Anlageberatungsvertrages ist anerkannt, dass es sich um einen Beratungsfehler der Bank handelt, wenn diese ihren Kunden nicht auf eine zu ihren Gunsten erfolgende Provisionsszahlung hinweist (sogenannte Kick-Back-Zahlung). Der Schaden des Bankkunden, der – ohne Kenntnis von dem besonderen Interesse der Bank an der Vermittlung solcher Fonds - eine derartige Beteiligung zeichnet, entsteht bereits mit Eingehung der Anlage. Der aus dem Verschulden der Bank bei Vertragsschluss (c.i.c.) resultierende Schadenersatzanspruch kann insbesondere auf die Rückabwicklung des Vertrages gerichtete werden und umfasst auch die Ersatzpflicht für entgangene (Zins-)gewinne. Der Kläger kann verlangen, so gestellt zu werden, als habe er die gegenständliche Anlage nicht gezeichnet und stattdessen sein Geld anderweitig investiert (negatives Interesse). Die Darlegung des Anspruchs auf entgangenen Anlagegewinn muss dabei neuerdings hohen Anforderung genügen: Bisher war es möglich, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH jedenfalls den "allgemein üblichen" Zinssatz ohne nähere Darlegung zu fordern. Nähere Darlegungen waren regelmäßig nur gefordert, wenn die Forderung über den - nicht näher definierten - "banküblichen Zins" hinausging. Nach zwei Urteilen des XI. Zivilsenats des BGH aus dem Jahr 2012 (Urteil vom 24.04.2012, BKR 2012, 291 und Urteil vom 08.05.2012, BKR 2012, 368) ist dies nun anders: Da als Alternative regelmäßig auch defizitär verlaufende Geldanlagen in Frage kämen, sei jedenfalls  hinreichender Vortrag und im Bestreitensfall auch Beweis durch den Kläger erforderlich, für welche konkrete Form der Kapitalanlage er sich ohne die fehlerhafte Beratung entschieden hätte. Eine Vermutung dahin, dass als übliche Kapitalanlage die Investition in festverzinsliche Papiere gewählt würde, besteht nicht (mehr). Diese  Rechtsprechung stellt sicher, dass sich ein Anleger der Risiken von Kapitalanlagen rückwirkend entzieht. Gerade wenn bestimmte Anlagemodelle wegen der Möglichkeit von Steuerersparnissen ausgewählt werden, ist der Nachweis unter Beachtung der genannten besonderen Anforderungen zu führen.

 

 

Wenn Sie Fragen haben zu oben geschilderter Entscheidung oder Beratung in einer bankenrechtlichen Angelegenheit wünschen, wenden Sie sich gerne an uns.

Ihr Rechtsanwalt Dieter Schmitz aus Witten

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