Veröffentlichung in der Falldatenbank: 26.05.2014

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Landgericht Siegen: Abzug von Verwertungskosten durch den Insolvenzverwalter bei Erzielung eines Übererlöses

§§ 170, 170 InsO, § 531 ZPO

Nach der Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung durch den Insolvenzverwalter sind die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstandes vorweg dem Verwertungs- und, sofern ein solcher erzielt wird, dem Übererlös für die Insolvenzmasse zu entnehmen. Entsprechendes gilt für die angefallene Umsatzsteuer.

Landgericht Siegen, Urteil vom 06.05.2014 – 1 S 50/13

Amtsgericht Siegen, Urteil vom 28.05.2013 – 14 C 78/13

Anmerkungen

Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Rechtsassessorin Isa Weber, Witten

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte – der Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. GmbH – berechtigt war, die Vergütung, die ihm für die Feststellung und Verwertung einer Sicherheit gebührte, von einer Forderung einzubehalten, die der klagenden Sparkasse von der insolventen M. GmbH zur Sicherheit abgetreten worden war. Der Beklagte hat nach anfänglicher Weigerung auf erneute Anforderung der Klägerin eine Abrechnung erstellt. Von den in Höhe von 19.620 € angemeldeten Forderungen beglich der Beklagte 16.194,31 €. Wegen des Fehlbetrages verwies der Beklagte auf seine Vergütung für Feststellung und Verwertung einer Sicherheit sowie die Umsatzsteuer darauf. Aus dem unerwartet hohen Verwertungserlös ist die Vollbefriedigung möglich, wenn nicht der Abzug der in Rede stehenden Positionen durch den Gerichtsvollzieher rechtmäßig wäre. Die Klägerin ist der Ansicht, die Vergütung für Feststellung und Verwertung der Forderung sei dem Verwertungserlös zu entnehmen; dann seien die Gläubiger aus dem verbleibenden Erlös ohne weitere Abzüge zu befriedigen. Der Erlösbegriff des § 170 InsO erstrecke sich auf den Brutto-Verwertungserlös und nicht auf die angemeldete Forderung eines Gläubigers. Soweit ein Insolvenzverwalter einen Übererlös erziele, seien die Umsatzsteuer sowie die Feststellungs- und Verwaltungskosten dem Übererlös zu entnehmen. Der Insolvenzverwalter dürfe also nicht den Übererlös einbehalten und dennoch den zur Auskehrung bestimmten Resterlös um seine Vergütung für Feststellung und Verwertung mindern. Zu dem geltend gemachten Fehlbetrag erstrecke sich das bestehende Absonderungsrecht auch auf die angefallenen Zinsen. Der Gerichtsvollzieher vertritt dagegen die Auffassung, durch die geleisteten Zahlungen sei in voller Höhe Erfüllung eingetreten. Die Insolvenzordnung sei in §§ 170, 171 so zu verstehen, dass – wenn als Erlös der Bruttoerlös zugrunde gelegt werden müsse – dieser nur als Berechnungsgrundlage für das Absonderungsrecht heranzuziehen sei und auf dieser Grundlage die Ermittlung der Verfahrenskostenpauschale anhand des Bruttoerlöses einschließlich Umsatzsteuer und nicht zugunsten des Sicherungsnehmers der Nettoerlös  Das Amtsgericht Siegen gab der Klage vollumfänglich statt. Mit seiner Berufung machte der Beklagte neben seinem erstinstanzlichen Vorbringen auch die Unwirksamkeit der Bestellung der Sicherheit geltend. Die Freigabeklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sei nicht Vertragsbestandteil geworden, sodass die Bestellung der Sicherheit insgesamt wegen Übersicherung unwirksam sei. Ferner erhob er die Einrede der Insolvenzanfechtung. Über die Berufungen beider Parteien entscheidet das Landgericht Siegen:

Entscheidung

Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der beklagte Insolvenzverwalter war nicht berechtigt, die Vergütung für Feststellung und Verwertung des Gegenstandes – hier der Forderung - sowie die Umsatzsteuer auf genannte Beträge einzubehalten. Dass im Fall einer Übersicherung damit eine vollständige Befriedigung erlangt werden kann ist unschädlich; eine Übersicherung ist höchstrichterlich explizit zugelassen: Der Bundesgerichtshof (BGH) lässt in ständiger Rechtsprechung ausdrücklich einen Aufschlag von 10 % auf die Deckungssumme zu. Damit soll dem Gläubiger im Zeitpunkt der Bestellung der Kreditsicherheit möglich sein „auf eine Verkürzung des für die Befriedigung von gesicherten Forderungen zur Verfügung stehenden Verwertungserlöses im Insolvenzfall durch eine Übersicherung reagieren zu können.“ Für den Gläubiger wäre diese ausdrücklich zugelassene Form der Übersicherung nutzlos, wenn er gerade im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht von ihr Gebrauch machen dürfte.

„Der Bundesgerichtshof hat nämlich ausdrücklich die Feststellungskosten und die Verwertungskosten der Insolvenzordnung als durch einen pauschalen Aufschlag von 10 % auf die Deckungssumme „zutreffend berücksichtigt“ erachtet und einen entsprechenden Aufschlag für die Umsatzsteuer ebenfalls gebilligt (NJW 1998, 671, 675). Auch nach dem Willen des Gesetzgebers soll es zulässig sein, dass die gesicherten Gläubiger bereits im Zeitpunkt der Bestellung der Kreditsicherheit auf eine Verkürzung des für die Befriedigung von gesicherten Forderungen zur Verfügung stehenden Verwertungserlöses im Insolvenzfall durch eine Übersicherung begegnen können (Tetzlaff in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage 2013, § 170 Rn. 36 unter Bezugnahme auf die betreffende Bundesratsdrucksache)“

so die 1. Zivilkammer in ihren Gründen.

Der darüber hinausgehende Vortrag des Beklagten hinsichtlich einer Sittenwidrigkeit der Sicherheitsbestellung und der Einrede der Insolvenzanfechtung war als verspätet nicht mehr von dem Berufungsgericht zu überprüfen, da diesem keine Gründe ersichtlich sind, aus denen das Vorbringen nicht schon in der ersten Instanz erfolgt ist.

Praxishinweis

Hier entscheiden Nuancen in der Gesetzesauslegung zugunsten unserer Mandantin.

„Nach der Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung durch den Insolvenzverwalter sind aus dem Verwertungserlös die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstands vorweg für die Insolvenzmasse zu entnehmen. Aus dem verbleibenden Betrag ist unverzüglich der absonderungsberechtigte Gläubiger zu befriedigen“

- so ist das Vorgehen in § 170 Abs. 1 der Insolvenzordnung geregelt. Dass hier trotz Abzuges der Kostenbeiträge eine vollständige Befriedigung der Insolvenzgläubigerin erreicht wird, erklärt sich durch die in engen Grenzen zulässige Praxis der Übersicherung bei Kreditbestellung, bei der für ebendiese Fälle ein Aufschlag von 10 % auf die Deckungssumme für rechtmäßig erachtet wird.

Wenn Sie Fragen zu der Entscheidung haben wenden Sie sich gerne an uns. Ihr Rechtsanwalt Dieter Schmitz in Witten

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