Veröffentlichung in der Falldatenbank: 19.03.2010

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Landgericht Flensburg: Der Auskunftsanspruch hinsichtlich eines Nachlassverzeichnisses

§ 2314 BGB, § 888 ZPO

Landgericht Flensburg, Teilanerkenntnisurteil vom 19.03.2010 – 3 O 177/09 nicht veröffentlicht - und insbesondere der daran anschließende Beschluss vom 18.11.2010 (SNH: 234/10)

Anmerkungen
Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Rechtsreferendarin Isa Weber, Witten

Sachverhalt
Das Landgericht Flensburg hatte über die Anforderungen an ein Nachlassverzeichnis zu entscheiden. Die Beklagte ist die zweite Ehefrau des Erblassers und hatte mit diesem ein Berliner Testament errichtet. Zwischen ihr und den beiden pflichtteilsberechtigten Kindern – den Klägern - kam zum Streit über Bestand und Wert des Nachlasses, weshalb die Kläger am Ende des Jahres 2008 Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangten. Die Beklagte kam diesem Verlangen trotz anwaltlicher Beratung nicht nach, worauf die Kläger vor das Landgericht Flensburg zogen. Sie beantragten in einer Stufenklage zunächst, die Beklagte zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu verurteilen. Auf der nächsten Stufe sollte der sich aus der Auskunft ergebene Pflichtteil eingeklagt werden. Im März 2010 erging ein Teil-Anerkenntnisurteil gemäß dem ersten klägerischen Antrag. Der in der Folge durch die Beklagte beauftragte Notar kam seiner Verpflichtung, ein selbst ermitteltes, umfangreiches Nachlassverzeichnis zu erstellen, nicht hinreichend nach, weshalb der klägerische Anwalt die Festsetzung eines Zwangsgeldes beantragte; das Gericht folgte dem Antrag und verhängte ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000€. Nach der Vollstreckung wurde den Klägern nach erneuter Fristsetzung eine so bezeichnete ‚Aufnahme des Nachlasses‘ vorgelegt, die der klägerische Anwalt als „nur eine Aneinanderreihung ungeordneter und planloser Ermittlungstätigkeit und Korrespondenz“ angriff. Ob das Schriftstück den Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis gerecht wird, oder ob die daraufhin von den Klägern beantragte weitere –und diesmal empfindliche- Zwangsgeldfestsetzung begründet ist, ist Gegenstand des Rechtsstreits.

Entscheidung
Im Wege des Beschlusses ordnet die 3. Zivilkammer das Landgerichts Flensburg hier - wie klägerseits beantragt – ein weiteres Zwangsgeld an, diesmal in drastischer Höhe. Die Beklagte muss wegen Nichtvornahme der Verpflichtung aus dem Teilanerkenntnisurteil ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00€ zahlen. Entgegen der Ansicht der Beklagten –und deren Notar- reiche es nicht aus, Informationen aneinanderzureihen um daraus eine ‚Aufnahme des Nachlasses‘ zusammenzustellen. Die Auskunft, deren Umfang sich nach § 2314 Abs. 1 BGB bestimmt, müsse hinsichtlich aller Nachlassaktiva sowie Passiva und auf Verlangen in Bezug auf den sogenannten fiktiven Nachlass, also hinsichtlich aller Schenkungen innerhalb der 10 Jahresfrist nach § 2325 Abs. 3 BGB sowie hinsichtlich aller ausgleichspflichtigen Zuwendungen nach § 2316 BGB erteilt werden. „Das Bestandsverzeichnis, das inhaltlich den Anforderungen des § 260 Abs. 1 BGB genügen muss, hat den Nachlassbestand gemäß dem Anspruchsumfang wiederzugeben, muss also grundsätzlich ein vollständiges und einheitliches Verzeichnis mit allen Aktiv- und Passivwerten sein, da der Berechtigte nur so über die Höhe seines Zahlungsanspruches unterrichtet werden kann (Palandt/Edenhoder [67. Auflage 2008 § 2314 Rdnr. 8)“. Ein Mangel des notariellen Schriftstücks sei nach Auffassung der Kammer bereits der Umstand, dass das Schriftstück nicht aus sich heraus verständlich sei und im Ergebnis nicht mehr darstelle, als „eine bloße Aneinanderreihung von Informationen und Mitteilungen über den bereits geführten Schriftwechsel zwischen den Parteien.“ Die drastische Höhe des Zwangsgeldes erkläre sich aus der „Berücksichtigung des gesetzlichen Rahmens (Art. 6 Abs. 1 EGStGB, 888 Abs. 1 S. 2 ZPO), der Bedeutung der Sache, des Gegenstandswertes und dem Umstand, dass bereits eine Zwangsgeldfestsetzung ohne Erfolg durchgeführt worden ist.“

Praxishinweis
Auch wenn es sich vorliegend eher um eine vollstreckungsrechtliche Entscheidung handelt, ist die Begründung des Landgerichts von großer praktischer Bedeutung. Sie sensibilisiert für die erhöhten Anforderungen, die an das notarielle Nachlassverzeichnis gestellt werden und damit auch an die Auswahl eines kompetenten und umsichtigen Notars. Im Nachgang bemühte sich die Beklagte um einen anderen Notar, der letztlich den Ansprüchen gerecht wurde, hat aber durch die Verzögerung und die unzureichenden Arbeiten des zunächst betrauten Amtsträgers Zeit und Geld in erheblichem Umfang verloren.

„Ein durch einen Notar aufgenommenes Nachlassverzeichnis liegt nur dann vor, wenn der Notar den Nachlassbestand selbst ermittelt hat und durch Untersuchung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringt, dass er für dessen Inhalt verantwortlich ist.“ (OLG Celle: Beschluss vom 21.01.2002 - 4 W 318/01, DNotZ 2003, 62). Hinsichtlich dieser und weiterer Feinheiten ist der Aufsatz des Notarassessors Stefan Braun: „Form, Inhalt und Verfahren beim Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB“ zu empfehlen; hier findet sich auch ein ausführliches Muster eines ordnungsgemäßen Nachlassverzeichnisses.

Vertretern von Pflichtteilsberechtigten ist grundsätzlich zu empfehlen, auf ein notarielles Verzeichnis zu bestehen und sich nicht auf private Schriften zu verständigen. So ist sichergestellt, ein inhaltlich und formal übersichtliches und abschließendes Verzeichnis zu erhalten. 

Wenden Sie sich an uns! Wir beraten Sie gern,

Ihr Rechtsanwalt Dieter Schmitz

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