Veröffentlichung in der Falldatenbank: 05.05.2014

Seite drucken

Landgericht Düsseldorf: Verwechslungsgefahr im Markenrecht – Zur Unterscheidungskraft eines Kunstworts bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft

§§ 14, 19, 25, 26 MarkenG

 

Ein markenrechtlich relevanter Mangel der Unterscheidbarkeit liegt vor, wenn außer der nur in der Schriftform erkennbaren Silbentrennung die Buchstabenfolge bis auf zwei Buchstaben identisch ist. Insbesondere ist dies der Fall, wenn es sich bei einem der unterschiedlichen Buchstaben lediglich um einen Konsonanten in der Wortmitte handelt, der für die Aussprache von untergeordneter Bedeutung ist.

 

Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.03.2014 – 38 O 110/13

Anmerkungen

Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Rechtsassessorin Isa Weber, Witten

 

Sachverhalt

 

Das Landgericht Düsseldorf befindet über den Anspruch eines Markeninhabers, der sich gegen die Verwendung einer seiner geschützten Marke ähnlichen Zeichens wendet. Die klagende GmbH ist Inhaberin von ‚NOGAFLEX‘, einer für Dichtbänder für Bauzwecke, Klebemassen und Dichtungsmassen zur Anwendung in der Bautechnik eingetragenen Deutschen Wortmarke. Der Beklagte vertrieb unter der Bezeichnung ‚novo-tec‘ Dichtbänder für Bauzwecke mit den Bezeichnungen ‚NOVO-FLEX‘ und ‚NOVO-FLEX Dichtband‘. Die Klägerin hielt diese Zeichen für mit ihrer Marke verwechslungsfähig und forderte den Beklagten auf, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung des Inhalts abzugeben, es zukünftig bei Meidung einer Vertragsstrafe von 10.000 € zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die gegenständlichen Bezeichnungen zu verwenden; ferner Hersteller, Lieferanten, Abnehmer […] zu benennen, die mit den so bezeichneten Produkten in Berührung gekommen sind und Auskunft zu erteilen über den Umfang der Werbung mit der streitgegenständlichen Bezeichnung und über die Umsätze, die mit dem Vertrieb erzielt worden sind. Zudem forderte die Klägerin zum Ersatz des Schadens auf, der durch die Verletzungshandlung entstanden ist und entstehen wird, inklusive der Rechts- und Patentanwaltsgebühren für die vorgerichtliche Tätigkeit. Die Beklagte gab die geforderte Erklärung nicht ab und stellte sich auf den Standpunkt, es bestünde keine Verwechslungsgefahr. Die Bezeichnungen seien nicht identisch und auch nicht verwechslungsähnlich. Lediglich dem Schriftbild komme eine gewisse Ähnlichkeit zu. Da der Annex „-FLEX“ keine Unterscheidungskraft besitze und branchentypisch als rein beschreibend anzusehen sei, könne es nur auf den Wortbestandteil „NOVO“ ankommen, der erkennbar auf die Firma des Beklagten und eben nicht die Marke der Klägerin verweise. Zudem sei die Benutzung der gerügten Bezeichnung der Klägerin seit über sechs Jahren bekannt und eine Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen daher wegen Verjährung ausgeschlossen. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs greife Verwirkung. Letzten Endes scheitere der Anspruch auch daran, dass die Klägerin die streitgegenständliche Marke überhaupt nicht verwende. Die GmbH erhob Klage auf Abgabe der geforderten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung (allerdings bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €!) und auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, den Schaden, der durch die Verletzungshandlungen entstanden ist, zu ersetzen.

Entscheidung

Die 8. Kammer für Handelssachen gab der Klage in vollem Umfang statt und erkannte wie beantragt. Zunächst griff der Einwand der mangelnden Benutzung nicht; die Richter stellten fest, dass die Marke gemäß § 25, 26 Markengesetz (MarkenG) in Kraft steht. Wegen der rechtserhaltenen Benutzung durch die Klägerin war es dem Beklagten verwehrt, Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Ähnlichkeit mit der Marke und der Identität oder durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen bestand. Die Kammer stellte heraus, dass die Kennzeichnungskraft der klägerischen Marke als durchschnittlich anzusehen sein dürfte. Dabei habe die Silbe „FLEX“ zwar beschreibenden Charakter, insoweit als mit ihr der Begriff „flexibel“ assoziiert werde, doch ist die Beurteilung sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Insbesondere dürfe keine Zergliederung erfolgen. So kam es für die Kammer hauptsächlich auf den ersten Teil des Kunstwortes an. Dazu führte es aus: „Die vom Beklagten verwendeten Zeichen ähneln der Marke insofern, als außer der nur in der Schriftform erkennbaren Silbentrennung die Buchstabenfolge bis auf zwei Buchstaben identisch ist. Bei einem dieser Buchstaben handelt es sich zudem um einen Konsonanten in der Wortmitte, der für die Aussprache von untergeordneter Bedeutung ist. Als einzig wesentliches Unterscheidungselement verbleibt damit der Vokal „o“ anstelle des in der Marke verwendeten Vokals „a“. Berücksichtigt man die Warenidentität der Dichtbänder und weiteren Elemente zur Abdichtung von Bauelementen in zu fliesenden Bereichen, erscheinen die Abweichungen zwischen der Marke und dem vom Beklagten verwendeten Zeichen so gering, dass eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden kann. Als Vorsilbe beinhaltete der Bestandteil „NOVO“ weder einen erkennbaren Zusammenhang mit der Bezeichnung „novo-tec“ noch vermittelt er dem Zeichen „NOVO-FLEX“ eine Assoziation, die sich von dem Zeichen „NOGAFLEX“ maßgeblich unterscheidet.“ Dem danach bestehenden Markenrechtsverstoß konnte auch keine Verwirkung entgegengehalten werden; der Vortrag hierzu genügte dem gerichtlichen Anspruch an hinreichende Substantiierung nicht. Der hinsichtlich einer etwaigen Duldung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte zog sich auf pauschale Behauptungen zurück. Diese genügten nicht für eine Beweisaufnahme; eine Klärung im Rahmen einer solchen hätte vielmehr eine Ausforschung bedeutet. Wegen der jedenfalls fahrlässigen Verletzung der Rechte des Markeninhabers ist auch der geltend gemachte Schadenersatzanspruch dem Grunde nach begründet. Auch die Kosten der Abmahnung, 1.399,80 €, sind der klagenden GmbH durch den Beklagten zu ersetzen. 

Praxishinweis

Das Landgericht Düsseldorf prüft in der vorliegenden Entscheidung nahezu lehrbuchmäßig die Voraussetzungen eines Markenrechtsverstoßes. Marken- und patentrechtliche Streitigkeiten erfordern detaillierte Gesetzeskenntnis und bedürfen umfassender Prüfung. Schon die Eintragung einer Marke kann dabei Fragen aufwerfen.

Grundsätzlich dienen Marken zur Unterscheidbarkeit von Waren und Dienstleistungen unterschiedlicher Hersteller. Insbesondere die kostenintensive Bewerbung von Produkten und die Bedeutung des gewohnten und gewährleisteten Qualitätsstandards in der Wahrnehmung der Kunden legen dabei nahe, dass Marken erhebliche Vermögenswerte darstellen, hinsichtlich derer regelmäßig ein Schutzinteresse besteht. Dabei kommt es immer zunächst darauf an, ob eine Zeichen markenrechtlich überhaupt schutzfähig ist, mithin, ob relative oder absolute Schutzhindernisse bestehen. Ferner kommt es auf die Reichweite des positiven Benutzungsrechts an. Wenn – wie hier – alle erforderlichen Grundvoraussetzungen gegeben sind, dürfen Verjährung und Verwirkung nicht entgegenstehen und keine Bestandskraft hinsichtlich einer angegriffenen, eingetragenen Marke jüngeren Zeitranges bestehen. Erst dann kommt es auf die hier vertieft dargestellte Verwechslungsfähigkeit an, hinsichtlich derer zahlreiche Kriterien durch die Rechtsprechung entwickelt worden sind (etwa bezüglich geringfügiger Abweichungen im Markennamen bei bestehender Klangnähe: BGH , Entscheidung vom 24.02.2011 - I ZR 154/09 und BGH I ZR 114/84; GRUR 1995, 50).

Privacy Share-Leiste