Veröffentlichung in der Falldatenbank: 02.05.2018
Landgericht Bochum: Wirkung eines Insolvenzverfahrens nach englischem Recht
Artikel 3 VO (EG) 1346/2000
- Die in England erteilte Restschuldbefreiung gilt auch in der Bundesrepublik Deutschland, wenn sie nicht gegen den ordre public verstößt
Landgericht Dortmund, Zwischenvergleich vom 07.09.2016 – 5 O 91/16 -
Anmerkungen
Rechtsanwalt Dieter Schmitz
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Bank, hatte der Beklagten Darlehen gewährt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten verschlechterten sich. Die Beklagte ist daraufhin mit anwaltlicher Hilfe an die Klägerin heran getreten, um einen Teilerlass zu vereinbaren. Auf diese Weise sollte ihre Insolvenz vermieden werden. Die Klägerin wäre einverstanden gewesen. Andere Gläubiger wollten sich aber nicht beteiligen. Die Beklagte ist daraufhin nach England verzogen und hat dort ein Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung durchlaufen. Die Klägerin hat ihre Ansprüche eingeklagt mit der Begründung, der Wohnsitzwechsel sei nur zum Schein erfolgt. Das Insolvenzverfahren in England und die Restschuldbefreiung verstoße in der Bundesrepublik Deutschland gegen den ordre public und sei deshalb nicht anzuerkennen.
Entscheidung
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Das Insolvenzverfahren in England mit Restschuldbefreiung muss die Klägerin gegen sich gelten lassen, weil dieses Verfahren nicht gegen den ordre public der Bundesrepublik Deutschland verstoße. Auf Basis des sogenannten ordre-public-Einwandes dürfe die Anerkennung einer wirksamen Entscheidung aus einem ausländischen Insolvenzverfahren nur dann verweigert werden, wenn die Anerkennung zu einem Ergebnis führen würde, das mit der öffentlichen Ordnung des Anerkennungsstaates, hier die Bundesrepublik Deutschland, offensichtlich unvereinbar sei. Das sei vorliegend nicht festzustellen. Obwohl die Beklagte nach eigenem Eingeständnis bereits vor ihrem Wohnsitzwechsel nach England insolvenzreif war, habe sie ihren Wohnsitz nicht nur zum Schein verlegt sondern ernsthaft, um in England eine neue Existenz aufzubauen. Auf die entsprechende Prüfung des englischen Gerichts im Rahmen seiner Zuständigkeit sei auch in der Bundesrepublik Deutschland abzustellen.
Praxishinweis
Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung zu dem Oberlandesgericht Hamm eingelegt. Die mündliche Erörterung vor dem Oberlandesgericht Hamm ergab, dass das Oberlandesgericht im Berufungsverfahren die Rechtslage genau wie das Landgericht beurteilt, aber eine umfangreiche Beweisaufnahme durchführen wollte. Dazu fehlten der Klägerin aber geeignete Beweismittel, um ernsthaft den Einwand der Beklagten zu widerlegen, diese habe in England tatsächlich einen neuen Wohnsitz genommen, eine neue Existenz begründet und ihren lebensmittelpunkt genommen. Letztlich wären der Klägerin nur Familienangehörige der Beklagten verblieben, die als Zeugen zu vernehmen waren. Angesichts des dann wohl zu erwartenden Ergebnisses der Beweisaufnahme hat die Klägerin die Berufung auf Vorschlag des Gerichts zurück genommen. Das Urteil zeigt, dass die Gewährung insbesondere ungesicherter Darlehen aber auch die Beitreibung sonstiger ungesicherter Forderungen erheblichen Risiken auch deshalb ausgesetzt ist, weil ein Schuldner, der in einem europäischen Ausland eine neue Existenz begründet, nach den dortigen Regeln Insolvenz und Restschuldbefreiung beantragen und erlangen kann. Auf den Fall zur Zeit prominentesten Fall des ehemaligen Wimbledonsiegers Boris Becker sei verwiesen.
Wenn Sie Fragen haben zu oben geschilderter Entscheidung oder Beratung in einer solchen rechtlichen Angelegenheit wünschen, wenden Sie sich gerne an uns.
Ihr Rechtsanwalt Dieter Schmitz aus Witten