Veröffentlichung in der Falldatenbank: 19.04.2012

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Landgericht Bochum: Vorvertragliche Aufklärungspflicht (c.i.c.) der kreditgebenden Bank gegenüber Anlegern bei institutionalisiertem Zusammenwirken (sog. „Schrottimmobilien“)

§§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 Nr. 1 BGB

Die kreditgebende Bank ist regelmäßig nur in besonderen Ausnahmefällen zur Risikoaufklärung bei steuersparenden Erwerbermodellen verpflichtet.

Landgericht Bochum, Urteil vom 19.04.2012 - I-1 O 374/11 - nicht veröffentlicht - rechtskräftig (SNH: 846/11)

Anmerkungen

Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Rechtsreferendarin Isa Weber, Witten

Sachverhalt

Das Landgericht Bochum hat über einen Schadenersatzanspruch von Verbrauchern wegen Verschuldens bei Vertragsschluss im Zusammenhang mit dem Kauf einer Eigentumswohnung zu entscheiden. Im Jahre 2003 erwarben die Kläger, vermittelt durch die K. KG, eine Eigentumswohnung zu Steuersparzwecken, welche sie zum weit überwiegenden Teil über ein Darlehen bei der Beklagten, der X-Bank, finanzierten. Zeitgleich traten sie dem aus den Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft bestehenden Mietpool über die Wohnanlage bei. In den Jahren 2005 - 2009 waren Nachzahlungen zu leisten, welche aus der Unterdeckung des Mietpools resultierten und sich nach der Behauptung der Kläger nicht mit den Prognosen zum Eigenaufwand aus der Musterrentabilitätsrechnung der K. KG deckten. Die Kläger begehren - unter dem Gesichtspunkt des sog. institutionalisierten Zusammenwirkens - von der beklagten X-Bank Rückabwicklung des finanzierten Immobilienerwerbs wegen arglistiger Täuschung durch eine ihr zurechenbare, vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung.

Entscheidung

Ohne Erfolg. Die Kammer folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet ist. Die Bank darf regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder selbst über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen oder sich der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Nur ausnahmsweise können sich Aufklärungs- und Hinweispflichten aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, insbesondere wenn die Bank mit dem Verkäufer, Vertreiber oder Vermittler des finanzierten Objekts institutionell zusammenwirkt. In diesem Fall ist unter erleichterten Voraussetzungen auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch konkrete, dem Beweis zugängliche, unrichtige Angaben des Verkäufers zu schließen (BGH, Urteil vom 21.09.2010 - XI ZR 232/09 - NZG 2010, 1347; BGH, Urteil vom 27.05.2008 - XI ZR 132/07 - NJW-RR 2008, 1495; BGH, Urteil vom 16.05.2006 - XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1; vgl. zus. Emmerich in Münchener Kommentar, BGB, 6. Auflage 2012, § 311 Rn. 128 ff.). Die Kammer moniert vorliegend insbesondere den mangelnden Vortrag der Kläger zur arglistigen Täuschung durch den Vermittler der K. KG. Zudem werden keine hinreichenden Angaben zur tatsächlichen Mietpoolkalkulation gemacht, insbesondere nicht die tatsächlich erzielten Mieten ins Verhältnis zu den prognostizierten Ausschüttungen gesetzt. Es fehlt zudem an den notwendigen Beweisangeboten und letztlich auch an ausreichendem Tatsachenvortrag hinsichtlich eines institutionalisierten Zusammenwirkens. Insgesamt bleibt der klägerische Vortrag an den entscheidenden Stellen zu allgemein und unsubstantiiert.

Praxishinweis

Die Rechtsprechung zur vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung von Banken gegenüber privaten Anlegern scheint insoweit abgeschlossen. Auch formte der BGH die Konstruktion des "institutionalisierten Zusammenwirkens", wodurch in bestimmten Fallgruppen die Aufklärungspflichtverletzung des Vermittlers auch zu einer Haftung der finanzierenden Bank führen kann, etwa, wenn der Nachweis ständiger Geschäftsbeziehungen des Vermittlers und der Bank gelingt. Dies ist besonders wichtig in Fällen, in denen die eigentliche Antragsgegnerin für die Anfechtung eine (bewusst) unterkapitalisierte Gesellschaft ist, gegen die ein Titel im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mangels Solvenz kein befriedigendes Ergebnis darstellt. Es wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, innerhalb dessen Schadensersatzansprüche grundsätzlich anerkannt werden und zur Rückabwicklungsverpflichtung führen. In der Praxis genügt es jedoch nicht, formelhaft entsprechende Pflichtverletzungen zu behaupten und gerichtliche Entscheidungen zu zitieren, wenn nicht der nötige Tatsachenvortrag geleistet und unter Beweis gestellt wird, der dem Anspruch letztlich seine Berechtigung verleiht.

Beachten Sie auch < die Berufungsentscheidung > zu Ihrem Interessengebiet.

Wenn Sie weitere Fragen haben, beraten wir Sie gern,


Ihr Rechtsanwalt Dieter Schmitz

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