Veröffentlichung in der Falldatenbank: 14.02.2013

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Landgericht Bochum: Schäden durch Niederschlagswasser auf Nachbargrundstück – Beseitigung der Störung und Schadensersatz

§§ 254, 823 Abs. 1 u. 2, 1004 Abs. 1 BGB, § 27 Nachbargesetz NRW

Nach den §§ 1004 Abs. 1 bzw. 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 27 Nachbargesetz NRW hat der Geschädigte gegen seinen Nachbarn als Störer sowohl einen Anspruch auf Vornahme geeigneter Maßnahmen gegen seine Eigentumsbeeinträchtigung als auch auf Schadensersatz.

Landgericht Bochum, Urteil vom 31.08.2009 - I-6 O 75/08 (SNH: 51/08)

Anmerkungen
Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Rechtsreferendarin Isa Weber, Witten

Sachverhalt
Das Landgericht Bochum entscheidet vorliegend, ob eine Verpflichtung besteht, Niederschlagswasser vom Nachbarhaus fernzuhalten und ob bzw. in welcher Höhe eine Schadensersatzpflicht für bereits eingetretene Feuchtigkeitsschäden besteht. Die Parteien sind Eigentümer benachbarter, baugleicher Einfamilienreihenhäuser, die mit ihren Flachdächern an einer Seite aneinander stoßen. Im Jahre 2004 ließen die Kläger das Dach ihres Hauses, welches zu diesem Zeitpunkt bereits 40 Jahre alt war, durch zwei Dachdeckerfirmen erneuern - den Dachdeckerfirmen wurde später der Streit verkündet, dem diese auf Seiten der Kläger beitraten. Die Beklagten ließen an ihrem ebenso alten Dach keine Erneuerung vornehmen. Im Jahr 2007 trat im Obergeschoss des Hauses der Kläger Feuchtigkeit im Bereich des Mauerschachts und des abgehenden Fallrohrs auf. Die Kläger führen dies auf die Undichtigkeit des Nachbardaches zurück, das altersbedingt saniert werden müsse, wobei sie die behauptete eigenständige Instandsetzungsmaßnahme durch den Beklagten für unsachgemäß halten. Der Kamin auf dem Dach der Beklagten sei nicht regendicht ummantelt und ziehe Feuchtigkeit an; Niederschlagswasser sickere in diesem Bereich zunächst unter die Dachhaut und von dort aus zur Stoßkante der beiden Häuser. Die Beklagten behaupten dagegen, durch sie seien keine relevanten Dacharbeiten vorgenommen worden. Ferner gingen von ihrem Dachbereich keine Beeinträchtigungen für das Haus der Kläger aus. Die alleinige Ursache für die Schäden läge in der Verwendung eines zu kleinen Gullys durch die Kläger. Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum hat zunächst Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Schäden an Gebäuden.

Entscheidung 
Im Anschluss daran entschied sie weit überwiegend zugunsten der Kläger. Diese können hier verlangen, dass ihr Dach von Niederschlagswasser der Nachbarn zunächst freigehalten wird und, soweit Schäden entstanden sind, diese ersetzt werden. Hinsichtlich der notwendigen Kosten zur Beseitigung der Störung und des Schadensersatzes erkannte die Kammer auf eine Quote von 80% zu Lasten der Beklagten. In diesem Umfang sind sie verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit in Zukunft kein Niederschlagswasser von ihrem Dach auf das Dach der Kläger übertreten kann. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 1004 Abs. 1 bzw. 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 27 Nachbargesetz NRW. Aus den gleichen Normen resultiert auch der Anspruch auf Schadensersatz. Die dazu tatbestandlich vorausgesetzte Eigentumsbeeinträchtigung liegt in dem Auftreten von Feuchtigkeit im Obergeschoß des Hauses der Kläger. Dieser Umstand und auch die Ursächlichkeit des Zustandes ihres Daches für etwaige Schäden wurden zwar zunächst durch die Beklagten bestritten, doch schließlich zur Überzeugung der Kammer durch das Sachverständigengutachten bewiesen. Die von den Beklagten angeführten Gründe wurden dagegen durch das Sachverständigengutachten widerlegt. Wie vom klägerischen Anwalt bereits in der vorangegangenen Korrespondenz angeboten, überließ auch das Gericht den Beklagten die Auswahl der Art der Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung. Die Kammer stützt ihre Entscheidung zusätzlich auf § 27 Nachbarrechtsgesetz NRW; demgemäß nämlich sind bauliche Anlagen so einzurichten, dass Niederschlagswasser nicht auf das Nachbargrundstück übertritt. Einem vollumfänglichen Klagestattgeben stand hier allerdings nach Ansicht der Kammer der Umstand entgegen, dass „auch eine aus dem Verantwortungsbereich der Kläger bei der Erneuerung des Dachbereichs liegende Ursache vorhanden sei, die für das Eindringen von Feuchtigkeit verantwortlich sei“. Konkret handele es sich um die Tatsache, dass „[der] Anschluss an den Kamin nicht fachgerecht hergestellt worden sei, dieser Anschluss habe vor allen Dingen so ausgeführt werden müssen, dass in diesem Bereich die Hinterläufigkeit von Feuchtigkeit unter die Dampfsperre vermieden werde.“ Das Problem sei, dass „Wasser weiterhin in der zu niedrig ausgeführten Abdichtung des Kamins eindringen könne, zumal die Dampfsperre auf die offenbar schadhafte Abdichtung im Bereich des Kamins aufgebracht worden sei, die zuvor hätte entfernt werden müssen.“ Diese Feststellungen schließen aber die Ansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB nicht aus. Dies insbesondere nicht, da an den drei anderen Seiten des Kaminkopfes Feuchtigkeit wegen der dortigen Undichtigkeiten eindringen könne. Der erkannte Mitverschuldensanteil gem. § 254 BGB belaufe sich für die Kläger auf 20%; dieser komme sowohl im Rahmen des Schadensersatzes als auch im Rahmen des Beseitigungs- bzw. Unterlassensanspruch zum Tragen. Die Kammer verweist hier auf die ständige Rechtsprechung des BGH, nach dem für die Mitverantwortlichkeit des gestörten Eigentümers für die eingetretene Störung kein Schuldvorwurf erforderlich ist. „Im Falle der Berücksichtigung der Mitverantwortlichkeit“ führt die Kammer weiter aus „wird die Verurteilung zur Beseitigung der Störung durch die Feststellung beschränkt, dass sich der beeinträchtigte Eigentümer in Höhe seiner Haftungsquote an den Kosten der Beseitigung zu beteiligen hat (vgl. dazu BGHZ 135, 235 ff. = BGH NJW 1997, 2234; BGH NJW 1995, 395 ff.; Kammergericht NJW 2008, 3148).“

Abschließend stellt die Kammer heraus, dass sich die Beteiligung nur auf die notwendigen Kosten beziehe.

Praxishinweis
Das nachbarliche Verhältnis wird nicht selten getrübt durch Meinungsverschiedenheiten unterschiedlichster Art. Die Probleme sind vielfältig und für die Betroffenen belastend, sodass es sinnvoll sein kann, anwaltliche und letztlich gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die nachbarrechtlichen Verpflichtungen sind in unterschiedlichen Gesetzen geregelt; für Nordrheinwestfalen gilt das Nachbarrechtsgesetz NRW vom 15.04.1969. Grundsätzlich wird hier ein vertretbarer Interessenausgleich für die Beteiligten angestrebt. Im vorliegenden Fall ging es bis zu einer Eigentumsbeeinträchtigung des Klägers. Die Schäden müssen bis zur Selbstverschuldensgrenze als unerlaubte Handlung des Nachbarn von diesem bezahlt werden. Die Möglichkeit zukünftiger Eigentumsbeeinträchtigungen, hier namentlich durch zukünftigen Feuchtigkeitseintritt an der benannten Stelle am Dach des Nachbarn, kann auch präventiert werden. Hier greift das Rechtsinstitut des quasi-negatorischen Beseitigungs- bzw. Unterlassensanspruch. Für den Kläger von Vorteil: der Anspruch auf zukünftiges Unterlassen (§ 1004 Abs. 1 BGB) kann in der gleichen Klage geltend gemacht werden, wie sein Anspruch auf Schadensersatz.

Wenn Sie in nachbarrechtliche Streitigkeiten verwickelt sind, wenden Sie sich an uns. Wir helfen Ihnen, eine einvernehmliche Lösung zu finden oder vertreten Sie vor Gericht,

Ihr Rechtsanwalt Dieter Schmitz

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