Veröffentlicht am: 17.02.2014

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Unterhaltspflicht für die Eltern – auch wenn der Kontakt erloschen ist?

BGH, Urteil vom 12.02.2014 - XII ZB 607/12

Der BGH hat in dieser aktuell vieldiskutierten Entscheidung die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Leistung von Elternunterhalt herausgestellt.

Geklagt hatte ein 56-jähriger Bremer, der von der Sozialhilfebehörde auf über 9.000 € in Anspruch genommen wurde. Hintergrund war die Heimunterbringung seines Vaters aus gesundheitlichen Gründen im April 2008. Zunächst wurde zwar auf die Altersrente des Vaters zurückgegriffen - als diese aber neben den laufenden Leistungen aus Grundsicherung und Pflegeversicherung nicht ausreichte, um die Heimunterbringung zu finanzieren, trat die Sozialhilfebehörde an den Kläger heran.

Dieser wiederum wehrte sich unter Hinweis auf den erloschenen Kontakt zu seinem Vater. Dieser habe sich 1971 von seiner Mutter getrennt. Nach anfangs allenfalls sporadischen Kontakts sei die Verbindung zwischen ihm und seinem Vater nach dem Abitur des Klägers spätestens 1972 endgültig abgerissen. Im Jahre 1998 errichtete der Vater des Klägers ein Testament, in dem er seine Lebensgefährtin als Alleinerbin einsetzte und nach dem er seinen Sohn nur mit dem „strengsten Pflichtteil“ bedacht wissen wollte. Weder habe der Vater Wert darauf gelegt, seine Schwiegertochter kennenzulernen, noch habe er bei einer Begegnung anlässlich der Beerdigung des Großvaters mit dem Kläger gesprochen.

Vor dem Oberlandesgericht Oldenburg sah man mit dem Kläger keine Verpflichtung zur Zahlung – das Gericht stellte auf eine Verwirkung des Anspruchs ab.

Anders sah dies der Bundesgerichtshof (BGH); dieser prüfte einen Wegfall der Verpflichtung zur Unterhaltszahlung an den Maßstäben des § 1611 BGB. In Absatz 1 der Norm heißt es wörtlich:

„Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.“

Die danach erforderliche grobe Unbilligkeit war schon in der Vergangenheit nur unter sehr strengen Voraussetzungen angenommen worden, namentlich, wenn die Gewährung von Unterhalt dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprochen hätte (z.B. bei tätlichen Angriffen). Hierbei war bei einem Kontaktabbruch unter anderem darauf abzustellen, ob es sich um eine einseitige oder wechselseitige Entscheidung handelte. Beleidigungen und Kränkungen konnten regelmäßig nicht ausreichen.

Im vorliegenden Fall nahm das Gericht an, dass der pflegebedürftige Vater bis zur Scheidung etwa zur Zeit der Volljährigkeit des Klägers, seinen elterlichen Pflichten in den in besonderem Maße prägenden Jahren hinreichend genügt habe und es schon deshalb keinen Fall der groben Unbilligkeit darstellen könne, wenn seitdem kein Kontakt mehr bestanden habe.

 

 

Wenn Sie Fragen zu dem dargestellten Fall haben, wenden Sie sich gerne an uns. Wir erklären Ihnen, was unterhaltsrechtlich auf Sie zukommen kann, mit welchem Vermögen Sie in Anspruch genommen werden können und welche Vermögenswerte bei der Unterhaltsberechnung unberücksichtigt bleiben müssen.

Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Rechtsassessorin Isa Weber, Witten

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