Veröffentlicht am: 02.04.2013

Seite drucken

Informelle Prozessdeals verfassungswidrig – Verständigungsgesetz trotz defizitären Vollzugs dagegen verfassungsgemäß

BVerfG, Urteil vom 19.03.2013 – AZ. 2 BvR 2628/10

Der Entscheidung liegt die Beschwerde mehrerer Beschwerdeführer gegen ihre Verurteilung nach einer Verständigung zwischen Gericht und den Verfahrensbeteiligten zugrunde. Ferner war die Verfassungsgemäßheit des § 257 c StPO, eingefügt durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (im Folgenden: Verständigungsgesetz), Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung.

Das Bundesverfassungsgericht untersagt mit seiner vorliegenden Entscheidung informelle Absprachen zwischen den Verfahrensbeteiligten. Durch einen „Vergleich im Gewande eines Urteils“ ließen sich Gericht und Staatsanwaltschaft „auf einen Handel mit der Gerechtigkeit“ ein. Soweit das erkennende Gericht, die Anklage und die Verteidigung außerhalb des Verständigungsgesetzes Absprachen treffen, verstößt dies gegen das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren (fair-trial-Grundsatz). Sowohl die rechtstaatliche Unschuldsvermutung als auch die Selbstbelastungsfreiheit stehen einem Verfahren entgegen, das zum Zwecke der Vereinfachung und Abkürzung auf die essentiell wichtige Ermittlung der materiellen Wahrheit verzichtet. Gemeint sind damit die mittlerweile häufig getroffenen Verabredungen über die Zusage von Strafober- und –untergrenzen für den Fall eines Geständnisses. Das überdies angegriffene Verständigungsgesetz hingegen stuft das Bundesverfassungsgericht trotz des „in erheblichem Maße defizitäre[n] Vollzug[s]“ derzeit nicht als verfassungswidrig ein. Dennoch sei eine dauerhafte Beobachtung der Praxis durch den Gesetzgeber notwendig.

Wenn Sie Fragen zu dem Artikel haben, wenden Sie sich gern an uns!

Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Referendarin Isa Weber, Witten

Privacy Share-Leiste