Veröffentlicht am: 24.09.2013

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Fluggastrechte: Ausgleichsansprüche gegen die Airline auch bei verpasstem Anschlussflug

BGH, Urteil vom 17.09.2013 - X ZR 123/10

Gegenstand der vorliegenden Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist die Zahlungsklage von zwei Flugreisenden, die aufgrund einer Abflugverzögerung über sieben Stunden verspätet ihren Zielflughafen erreichten. Die Reisenden buchten bei der beklagten Fluggesellschaft je einen Flug von Miami über Madrid nach Düsseldorf. Am Flughafen Miami wurden sie mit den Bordkarten für die gesamte Reise ausgestattet. Der erste Flug hatte eine Stunde und zwanzig Minuten Verzögerung, sodass die Passagiere den Flughafen Madrid nur mit entsprechender Verzögerung erreichten. Den Weiterflug nach Düsseldorf, der von einem abgelegeneren Terminal zu erfolgen hatte, verpassten die Kläger; sie mussten einen späteren Flug wählen, mit dem sie 7 ½ Stunden später als vorgesehen ihren Zielflughafen Düsseldorf erreichten. Die Kläger begehren je 600 € von der beklagten Airline aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (Fluggastrechteverordnung) als Ausgleich für die erlittenen Unannehmlichkeiten. Nachdem das erstinstanzlich zuständige Amtsgericht den Anspruch abgewiesen hatte, entschied das Landgericht zugunsten der Kläger. Auf die zugelassene Revision der Airline gegen das stattgebende Urteil entschied der BGH nach Vorlage der Frage, ob einem Fluggast eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung auch dann zusteht, wenn sich der Abflug um eine Zeitspanne verzögert hat, die unterhalb der in Art. 6 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung definierten Grenzen liegt, die Ankunft am Zielort aber mindestens drei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erfolgt. Im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 26. Februar 2013 (C-11/11 – Air France/Folkerts) nahm der BGH das Vorabentscheidungsgesuch zurück und entschied in der Sache.

Der X. Zivilsenat weist die Revision der Beklagten zurück und bestätigt den Anspruch der Passagiere. Für den BGH steht fest, dass ein Ausgleichsanspruch auch dann bestehen muss, wenn ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug aufgrund einer vorherigen Verzögerung verpasst wird. In entsprechender Anwendung des Art. 7 Abs. 1 lit. c der Fluggastrechteverordnung erhalten Fluggäste Ausgleichszahlungen in Höhe von 600 € bei Flügen bis zu einer Distanz von 3.500 km, wenn sich der Abflug gegenüber der planmäßigen Abflugzeit um drei Stunden oder mehr verzögert. Nach dem Wortlaut der maßgeblichen Verordnung begründet zwar nur die Annullierung den Ausgleichsanspruch nach Art. 7, doch ist bereits mehrfach entschieden worden, dass Flugpassagiere auch dann Ausgleichsleistungen verlangen können, wenn die Verspätung mehr als drei Stunden beträgt und die Airline keine außergewöhnlichen Umstände als Rechtfertigung nachweisen kann. Auch, dass die ursprüngliche Verzögerung mit einer Stunde und zwanzig Minuten deutlich unter der gesetzlichen Grenze geblieben ist, ändert nichts an dem Anspruch der Kläger; abzustellen ist auf die Erreichung des individuellen Endziels. Da die Fluggäste dieses erst 7 ½ Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichten, war die Revision zurückzuweisen.

Bereits aus der eigenen Praxis ins bekannt, wie weigerlich Fluggesellschaften auf die Geltendmachung der genannten Rechte reagieren. Auch nachdem der EuGH am 19.11.2009 in Sachen Sturgeon/Condor bzw. Böck und Lepuschitz/Air France (Verbundene Rechtssachen C-402/07 und C-432/07) herausstellte, dass entgegen dem Wortlaut der genannten Verordnung nicht nur bei Annullierung von Flügen, sondern auch bei erheblicher Verspätung eine Ausgleichszahlung durch die Fluggesellschaft zu erfolgen habe, hat sich die Praxis vieler Luftfahrtunternehmen nicht geändert. Dabei war der EuGH in seiner Entscheidung mehr als deutlich; bei Berücksichtigung des Zusammenhangs und der Ziele der Verordnung und dem Umstand, dass die Situation von Fluggästen verspäteter Flüge mit der von Fluggästen annullierter Flüge zu vergleichen sei, muss eine Gleichstellung erfolgen und Art. 7 der Fluggastrechteverordnung für beide Fälle anwendbar sein.

Wenn Sie Fragen zu Ihren Rechten bei Verspätungen und Annullierungen von Flügen haben, wenden Sie sich an uns. Wir beraten Sie gern! - Kontakt -

Rechtsanwalt Dieter Schmitz und Referendarin Isa Weber, Witten

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